Die Intensivstation der Universitätsklinik für Neurochirurgie wurde 1984 mit dem Bezug des Neubaus Neurochirurgie eröffnet und dient seit über 30 Jahren der primären Versorgung neurochirurgischer zerebraler und spinaler Krankheitsfälle bzw. der postoperativen Überwachung von Patient:innen nach neurochirurgischen Operationen. Die Intensivstation wird in enger Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie geführt und ist seit 1. Juli 2010 von der Österreichischen Ärztekammer gemäß § 11 Abs. 1 Ärztegesetz 1998 als Ausbildungsstätte für die Ausbildung im Additivfach Neurochirurgische Intensivmedizin anerkannt.
Aufgrund der speziellen Widmung der Station und der langjährigen Erfahrung in der interdisziplinären Behandlung neurochirurgischer Krankheitsbilder ist die Station eine wesentliche Ausbildungsstelle für Pflegepersonal und Ärzt:innen verschiedener Fachrichtungen. Entsprechend der speziellen Aufgabenstellung stehen praktisch alle Verfahren zur Behandlung zerebraler und extrazerebraler Organdysfunktionen zur Verfügung.
Im Rahmen des aktuellen Entwicklungsplanes der MedUni Wien wurde die Intensivmedizin – und innerhalb dieser das invasive Neuromonitoring – zu einem der dezidierten Entwicklungsschwerpunkte erklärt.
Die Implementierung eines umfassenden multimodalen Neuromonitorings unter Einschluss konventioneller Hirndruckmessung, zerebraler Sauerstoffpartial-druckmessung und zerebraler Mikrodialyse ist abgeschlossen, wodurch diese Monitoringverfahren in vollem Umfang zur Verfügung stehen.
Zur frühzeitigen Detektion von zerebralen Sekundärischämien ist die neurochirurgische Intensivmedizin auf hoch entwickelte Monitoringverfahren angewiesen. Bei Patient:innen mit schwerer Gehirnblutung gehören neben der kontinuierlichen Hirndruckmessung, die Überwachung des zerebralen Sauerstoffpartialdrucks und des Metabolismus sowie das kontinuierliche EEG zum Standard an unserer neurochirurgischen Intensivstation.
Dieses multimodale Neuromonitoring ermöglicht nicht nur eine frühzeitige Detektion und somit Behandlung von Sekundärischämien, sondern erlaubt auch eine maßgeschneiderte Adaptation der individuell eingesetzten Therapien.
Trotz massiver Fortschritte in der Intensivmedizin bleibt der neurologische Outcome vieler Patient:innen mit Subarachnoidalblutung schlecht. Eine durch die Blutung induzierte Neuroinflammation, Beeinträchtigungen der Gerinnungskaskade sowie schwerwiegende zerebrale Vasokonstriktion führen oft erst Tage nach dem Blutungsereignis zu schweren ischämischen Defiziten. Wir konnten erst kürzlich zeigen, dass durch die hervorgerufene zerebrale Minderdurchblutung ein endogener Anstieg des arteriellen Blutdrucks bei Patient:innen mit Subarachnoidalblutung zu beobachten war (Hosmann et al, 2020: Endogenous arterial blood pressure increase after aneurysmal subarachnoid hemorrhage).
Zur Behandlung des zerebralen Vasospasmus gibt es neben der zusätzlich medikamentösen Anhebung des arteriellen Blutdrucks die Möglichkeit der pharmakologischen Gefäßdilatation mittels endovaskulärer Verfahren. Die Wirksamkeit dieser neuro-interventionellen Techniken ist jedoch sehr umstritten, weswegen wir in einer retrospektiven Analyse die Auswirkungen auf den Gefäßdurchmesser und das Auftreten von zerebralen Insulten überprüften (Hosmann et al, 2018: Concentrations of Cefuroxime in Brain Tissue of Neurointensive Care Patients).
Wir beobachteten hierbei, dass die Wirkung endovaskulärer Therapien nur sehr begrenzt das Auftreten von zerebralen Infarkten verhindern konnte. Aus diesem Grund wurde eine prospektive Studie initiiert, welche den Einfluss von intraarteriellem Papaverin-Hydrochlorid auf den Gehirnstoffwechsel und die Sauerstoffversorgung mithilfe von multimodalem Neuromonitoring untersuchte. Hierbei konnten wir nur bei einigen wenigen Patient:innen eine kurzfristige Verbesserung des zerebralen Metabolismus feststellen, welche auf wenige Stunden nach der Intervention begrenzt war (Hosmann et al, 2020: The Impact of Intra-Arterial Papaverine-Hydrochloride on Cerebral Metabolism and Oxygenation for Treatment of Delayed-Onset Post-Subarachnoid Hemorrhage Vasospasm). Diese Ergebnisse hatten zur Folge, dass nun Nimodipin zur intraarteriellen Spasmolyse an unserer Abteilung verwendet wird.
Im Rahmen des Routinemonitorings erlaubt die zerebrale Mikrodialyse die zusätzliche Bestimmung der ungebundenen Konzentration von Medikamenten hinter der Blut-Hirn-Schranke. Vor allem für Antibiotika ist die Konzentration direkt am Wirkungsort für dessen Effektivität von größter Bedeutung. Cefuroxim gilt als Liquor-gängiges Antibiotikum, welches routinemäßig an unserer Abteilung zur perioperativen Prophylaxe eingesetzt wird. Anhand der gemessenen Pharmakokinetik mittels zerebraler Mikrodialyse konnten wir jedoch feststellen, dass nur ein Drittel der im Plasma gemessenen Konzentration tatsächlich im Hirnparenchym ankommt (Hosmann et al, 2018: Concentrations of Cefuroxime in Brain Tissue of Neurointensive Care Patients). Die Bestimmung der zerebralen Pharmakokinetik weiterer Antibiotika befindet sich zurzeit in Prüfung.
Nicht-konvulsive Anfälle treten bei kritisch Kranken sehr häufig auf und sind vor allem bei der Gruppe der komatösen Patient:innen ein sehr stark unterdiagnostiziertes und unterschätztes Phänomen. Da die Dauer von nicht-konvulsiven Anfälle mit einer stark erhöhten Mortalitätsrate einhergeht, sollten die Anfällen früh detektiert und behandelt werden.
Dafür ist die Überwachung mittels kontinuierlichem EEG notwendig, welches primär 2013 im Rahmen eines von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft mit 1,66 Millionen Euro geförderten Projekts an unserer Intensivstation eingeführt wurde. Im Rahmen dieses Projekts wurde gemeinsam mit dem Austrian Institute of Technology ein Computer-gestütztes Analysetool für Langzeit-EEGs entwickelt und an unserer Klinik evaluiert (Herta et al, 2015: Prospective assessment and validation of rhythmic and periodic pattern detection in NeuroTrend: A new approach for screening continuous EEG in the intensive care unit , Herta et al, 2018: Automated Long-Term EEG Review: Fast and Precise Analysis in Critical Care Patients). Für unsere Arbeiten wurden wir 2016 und 2018 zweimal mit dem Herbert Reisner Preis der Österreichischen Gesellschaft für Epileptologie ausgezeichnet.
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung der letzten Jahre mit dem Thema „Multimodales Neuromonitoring“ führte zu einer weiten Akzeptanz der teilweise aufwändigen Untersuchungen bei pflegerischem und ärztlichem Personal. Dadurch ist es uns heute – als eine der wenigen neurochirurgischen Intensivstationen weltweit – möglich, die komplette Bandbreite des zerebralen Monitorings abzudecken und somit akut zerebral schwer erkrankten Patient:innen ein individualisiertes multimodales Neuromonitoring anzubieten.