Pädiatrische Neurochirurgie: Schonende Endoskopie und Mikrochirurgie für die Kleinsten
Durch die Etablierung der multidisziplinären Pädiatrischen Boards konnte gewährleistet werden, dass unsere kleinen Patient:innen, die an einer Neurochirurgischen Erkrankung leiden, zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine individuelle Therapie auf dem neuesten Stand der multidisziplinären Forschung erhalten.
Im Rahmen unserer spezialisierten Pädiatrie-Ambulanz ist eine Vorstellung jeden Freitag nach telefonischer Terminvereinbarung möglich.
An unserer Klinik bildet die gute interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Universitätskliniken für Kinder- und Jugendheilkunde, für Radiologie und Nuklearmedizin, für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie und für Radioonkologie die Basis der Pädiatrischen Neuroonkologie. Jeder Fall wird im Rahmen des interdisziplinären Pädiatrischen Tumor Boards besprochen und die individuell angepassten Therapien auf höchstem internationalem Niveau und nach internationalen Studienprotokollen etabliert.
Neuroonkologischer Therapieablauf bei Kindern und Jugendlichen:
In enger Kooperation mit der Klinischen Abteilung für Neuroradiologie und Muskuloskeletale Radiologie werden laufend neue und innovative bildgebende Techniken für die Optimierung der präoperativen Diagnostik und Planung von onkologischen Eingriffen bei Kindern und Jugendlichen angewendet.
Diese strukturellen und funktionellen bildgebenden Verfahren beinhalten funktionelles MR, resting-state fMRI (Functional Magnetic Resonance Imaging), Faserbahndarstellung mittels DTI (Diffusions Tensor Bildgebung), aber auch MR-Spektroskopie. Die daraus ermittelten Daten können mit Hilfe der intraoperativ angewendeten Neuronavigation direkt im OP-Saal als Unterstützung für die Tumorresektion angewendet werden.
Neben der Bildgebung repräsentiert auch das Intraoperative neurophysiologische Monitoring eine wichtige Technik zur Überwachung von neurologischen Funktionen bei funktionell kritischer Tumorlokalisation (Rückenmark/spinal, Hirnstamm&Zentralregion/intrakraniell). In ausgewählten Fällen erfolgt eine intraoperative Kontrolle insbesondere der Sprachfunktion bei Wachoperation, unter Beteiligung der Universitätsklinik für Neurologie.
Die direkte postoperative Überwachung erfolgt entweder auf der Pädiatrischen Intensivstation (PICU) oder auf der Intermediate Care Unit des Kinder OP-Zentrums. Anschließend werden die Kinder auf der Station für Pädiatrische Onkologie (Ebene 9) weiterbetreut.
Kraniosynostosen
Kraniosynostosen entstehen durch einen vorzeitigen Verschluss von Schädelnähten, was zu Formveränderungen des gesamten Schädels führt. Durch Imbalance zwischen Knochenan- und -abbau und Interaktion zwischen Schädeldach und -basis über die harte Hirnhaut (Dura mater) kommt es abhängig von der Lage der vorzeitig verschlossenen Naht zu jeweils typischen mehr oder weniger auffälligen Schädelformen. Durch einen rechtzeitigen Eingriff kann die Schädelform normalisiert werden.
Auffälligkeiten an der kindlichen Schädelform können unterschiedliche Ursachen haben. Manchmal stecken normale Veränderungen des starken Schädelwachstums in den ersten Lebensmonaten bis -jahren dahinter, manchmal aber auch Störungen des Knochenwachstums, die zu einer Beeinträchtigung des Aussehens und des Gehirnwachstums führen können. Die Diagnostik ist oft einfach und ohne radiologische Hilfsmittel möglich, kann aber auch komplexer sein und unterschiedlicher Spezialdisziplinen bedürfen. In unserer pädiatrischen Spezialambulanz erfolgt sowohl die interdisziplinäre Abklärung von Auffälligkeiten des Schädelwachstums als auch die Planung der weiteren Behandlung.
Schädelwachstumsveränderungen durch Kraniosynostosen werden mit zunehmender Häufigkeit diagnostiziert und suspiziert. Dementsprechend steigt sowohl die Anzahl der ambulanten Vorstellungen von Patient:innen mit Kraniosynostosen, als auch die der chirurgischen Eingriffe.
Die häufigste Form der Kraniosynostosen ist die Sagittalnahtsynostose. Durch vorzeitigen Verschluss der Pfeilnaht entsteht ein länglicher schmaler Kopf, der auch Dolichocephalus (Langschädel) oder Scaphocephalus (Kahnschädel) genannt wird. Die Stirn wirkt oft groß, das Hinterhaupt schmal und manchmal ausladend. Buben sind häufiger betroffen.
Bei früher Diagnose kann die Therapie offen chirurgisch oder endoskopisch assistiert durch Entfernen der verknöcherten Naht über einen ausreichend großen Bereich erfolgen.
Bei etwas älteren Kindern erfolgt der chirurgische Eingriff durch Rekonstruktion von Teilen des Schädelknochens im Scheitel- und Hinterhauptsbereich, um eine ausreichende Erweiterung des Schädelvolumens und Verbesserung der Schädelform zu erreichen.
Bei einem Trigonocephalus handelt es sich um eine Formveränderung, die sich vor allem durch eine spitz zulaufende Stirn bemerkbar macht, wodurch die Platzverhältnisse für das Gehirn in diesem Bereich eingeschränkt sein können. Zu Grunde liegt ein vorzeitiger Verschluss der metopischen Naht, die in der Mitte der Stirn verläuft. Die Ausprägung kann unterschiedlich stark sein.
Die Therapie erfolgt durch eine Rekonstruktion des gesamten Stirnbereichs.Dabei wird sowohl der obere Bereich der Stirn als auch der Übergang zur Schädelbasis, die obere Begrenzung der Augenhöhlen, von einer Dreiecksform in eine vorne gerade und seitlich gerundet verlaufende Form gebracht.
Asymmetrische Schädelformen können durch einseitigen vorzeitigen Verschluss der Kranznaht oder in seltenen Fällen der Lambdanaht verursacht sein und werden Plagiocephalus genannt. Eine asymmetrische Entwicklung der Schädelbasis, des Schädeldachs und Teilen des Gesichtsschädels sind die Folge.
Die Therapie erfolgt chirurgisch durch Rekonstruktion der asymmetrisch verformten Stirn zu einer symmetrischen, indem sowohl der obere Teil des Stirnknochens als auch der an die Schädelbasis grenzende Bereich mit der oberen Begrenzung der Augenhöhlen umgeformt werden.
Nicht alle asymmetrischen Schädelformen sind jedoch durch eine Kraniosynostose bedingt. Die Unterscheidung ist meist gut durch eine klinische Untersuchung ohne radiologische Hilfsmittel möglich und auch wesentlich, weil die Therapie in diesen Fällen ohne Operation, mit physikalischer Therapie möglich ist und eine Helmtherapie erwogen werden kann.
Beim Brachycephalus, genannt auch Turmschädel, kommt es durch den beidseitigen vorzeitigen Verschluss der Kranznaht zu einer flach verformten Stirn; der Kopf ist kurz, breit und hoch. Die Augenhöhlen sind flach und klein, wodurch es zu einem Exophthalmus kommt. Diese Art der Kraniosynostose ist häufig mit molekulargenetischen Veränderungen assoziiert. Bereits früh kann es zu einer Erhöhung des intrakraniellen Drucks kommen. Bei diesen Patient:innen ist eine zeitgerechte und regelmäßige interdisziplinäre Betreuung besonders wichtig, um eine möglichst optimale Entwicklung zu gewährleisten.
Die Therapie ist eine rechtzeitige Erweiterung des Schädelvolumens durch ein sogenanntes frontoorbitales Advancement. Der Stirnknochen und die vordere Frontobasis werden umgeformt und nach vorne verlängert. Bei syndromalen Erkrankungen kann dieser Eingriff auch wiederholt erforderlich sein, um eine normale Gehirnentwicklung zu gewährleisten.
Sowohl die Erstvorstellung als auch die weitere Betreuung von Patient:innen mit suspizierten oder diagnostizierten Kraniosynostosen erfolgt in einer wöchentlichen pädiatrischen Spezialambulanz, in der die Abklärung und weitere neurochirurgische Betreuung ebenso wie die interdisziplinäre Begutachtung durchgeführt werden. In vielen Fällen wird eine Operation zum optimalen Zeitpunkt empfohlen, welcher
- in manchen Fällen schon sehr früh sein kann, weil dann ein "kleinerer", weniger ausgedehnter Eingriff möglich ist.
- in manchen Fällen auch früh erfolgen muss, weil man nur so Sekundärschäden verhindern kann.
- in vielen Fällen aber auch regulär geplant werden kann, um ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen.
- in den meisten Fällen erfolgt eine Operation innerhalb des ersten Lebensjahres.
Die operativen Eingriffe an diesen Patient:innen erfolgen in enger Kooperation mit der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie und der Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie.
Der Hydrocephalus ist das häufigste Krankheitsbild in der pädiatrischen Neurochirurgie, weshalb ein gemeinsames Management mit der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde seit vielen Jahren etabliert wurde. Durch sowohl angeborene als auch erworbene Formen, wie zum Beispiel nach Blutungen oder Entzündungen, können Kinder bereits kurz nach der Geburt betroffen sein. Das für Frühgeborene mit sehr niedrigem bis extrem niedrigem Geburtsgewicht gemeinsam mit der Neonatologie entwickelte Behandlungskonzept mit temporären, kontinuierlichen externen Ventrikeldrainagen und temporären, geschlossenen subkutanen Reservoirs wird durch Einsatz neuer Technologien, wie modifizierter Katheter und ultradünner Endoskope, weiterentwickelt und optimiert.
Die Neuroendoskopie hat sich sowohl als eine eigenständige wie auch als eine zur Mikrochirurgie ergänzende Methode in der modernen Neurochirurgie etabliert und ermöglicht eine gering invasive Behandlung verschiedener neurochirurgischer Krankheitsbilder. Speziell für Kinder entwickelte Endoskope ermöglichen in Kombination mit der elektromagnetischen Neuronavigation Eingriffe bei intrakraniellen Zysten oder komplexen Hydrocephalusformen bereits bei Früh- und Neugeborenen.
Die endoskopische III. Ventrikulostomie stellt bei Formen von Verschlusshydrocephalus auch bei Kindern nicht nur eine gute Alternative zur Shuntoperation dar, sondern kann mit ihrer Erfolgsquote auch in dieser Altersgruppe als Therapie erster Wahl angesehen werden.
Endoskopische Ventrikulostomien sowohl an Neugeborenen im Alter von wenigen Tagen als auch an älteren Kindern ermöglichen in einem hohen Prozentsatz eine Normalisierung des Liquorflusses ohne die Implantation eines Shuntsystems.
Endoskopische Septostomien und andere intraventrikuläre Fenestrationen in Verbindung mit einem Shuntsystem können die Behandlung von komplexen Hydrocephalusformen mit isolierten Anteilen des Ventrikelsystems verbessern und werden bereits bei Frühgeborenen eingesetzt.
Auch intra- und paraventrikuläre Zysten können bei Kindern bereits ab dem Alter von wenigen Tagen durch einmalige, endoskopische Fenestration erfolgreich behandelt werden.
Die Zysten des ZNS können an unterschiedlichen Stellen auftreten: in der mittleren Schädelgrube am Schläfenlappen (temporale, sylvische Arachnoidalzysten), um das Kleinhirn, an der Schädelbasis, um die Ventrike, an den Großhirnhemisphären.
Abhängig von ihrer Lokalisation können sie unterschiedliche Symptome hervorrufen. Viele Zysten werden auch durch Zufall gefunden, sie machen oft keine Beschwerden und müssen auch in vielen Fällen nicht behandelt werden. Unbedingt behandeln muss man sie, wenn sie auf die Liquorwege drücken und dadurch einen Aufstau von Liquor, der mit einer Druckerhöhung im Kopf einhergeht, hervorrufen.
Arachnoidalzysten sind meist angeboren, sie entstehen in der frühen Entwicklung des Gehirns durch Spaltung der Arachnoidea, der Spinngewebshaut, eine der Gehirnhäute, innerhalb derer normalerweise der Liquor, die Hirnflüssigkeit, fließt. Dadurch kommt es innerhalb dieser Aufspaltung und Verklebung zur Ansammlung von Liquor und es entsteht eine flüssigkeitsgefüllte Zyste. Arachnoidalzysten wachsen nur selten, wenn dann vor allem im 1. und 2. Lebensjahr, weshalb in diesem Alter regelmäßige Kontrolluntersuchungen wichtig sind.
Es gibt unterschiedliche Therapiemöglichkeiten, wobei vor allem die mikrochirurgische Fenestration und Resektion und die endoskopische Fenestration je nach Lage der Zyste zu empfehlen sind. Intra- und paraventrikuläre Zysten bei Kindern konnten bereits ab einem Alter von wenigen Tagen durch eine einmalige endoskopische Fenestration erfolgreich behandelt werden.
Die endoskopische Behandlung ist weniger invasiv und bietet den Vorteil des kleineren Hautschnittes und Zugangs zur Zyste. Allerdings gibt es Eigenschaften der Zysten, die eine endoskopische Behandlung erschweren. In diesen Fällen ist einer mikrochirurgischen Behandlung der Vorzug zu geben.
Während die offenen Dysraphien durch die Entwicklungen der Pränatalmedizin in Europa nur mehr selten bei Neugeborenen vorkommen, sind es vor allem die geschlossenen spinalen Dysraphien, die von einer guten interdisziplinären Betreuung profitieren und deren neurochirurgische Behandlung durch systematischen Einsatz eines kompletten intraoperativen neurophysiologischen Monitorings optimiert wird.
Fehlbildungen, die zum Formenkreis der dysraphischen Störungen gehören, sind seltene Erkrankungen der Wirbelsäule und des Gehirns, die mit unterschiedlich schweren neurologischen Störungen behaftet sind. Während die offenen Dysraphien die Weiterentwicklung der Pränatalmedizin nur mehr sehr selten vorkommen, sind es vor allem die geschlossenen spinalen Dysraphien, die zunehmend diagnostiziert werden. Sie stellen ein komplexes Krankheitsbild dar, das einer optimalen interdisziplinären Behandlung bedarf, um ein optimales Ergebnis für diese Patienten zu erreichen und umfasst sehr unterschiedliche Formen und Ausprägungen, wie Dermalsinus, „tight filum“, Diastematomyelien („split cord“), Menigocelen, Lipomyelocelen bis zum kaudalen Regressionssyndrom. Die Aufgabe der Neurochirurgie bei diesen Erkrankungen ist es in erster Linie, das optimale Management im Hinblick auf Zeitpunkt und Ablauf einer möglichen chirurgischen Lösung zu wählen. Die Indikationsstellung erweitert sich laufend, da die technischen Möglichkeiten zunehmend auch bei komplexen Krankheitsbildern eine sichere chirurgische Lösung ermöglichen. Ein wesentliches Hilfsmittel der mikrochirurgischen Operationstechnik ist das intraoperative neurophysiologische Monitoring, das an unserer Klinik seit 2003 systematisch angewandt wird und eine bestmögliche medizinisch-therapeutische Lösung mit größtmöglicher Sicherheit für die Patient:innen gewährleistet werden kann.
Sowohl die präoperative als auch die Langzeitbetreuung dieser Patient:innen erfolgt interdisziplinär mit Spezialist:innen der Klinischen Abteilung für Neuropädiatrie, Neuroradiologie, Kinderchirurgie und -urologie und Kinderorthopädie. Eine regelmäßige gemeinsame Besprechung erfolgt im Pädiatrischen Dysraphie Board. Die Erstvorstellung und weitere Betreuung von Patient:innen ist in unserer Spezialambulanz jeden Freitag möglich. Eine Terminvereinbarung wird empfohlen.
Die Behandlung vaskulärer Malformationen des Kindesalters erfolgt analog zu jenen der Erwachsenen nach Diskussion im Vaskulären Board. Mikrochirurgie, endovaskuläre Verfahren und Radiochirurgie mit Gamma Knife kommen fallbezogen allein oder in Kombination zur Anwendung.
Die spezielle frühkindliche Entität der Vena Galeni Fehlbildungen wird endovaskulär in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Neonatologie, Neuropädiatrie und pädiatrische Intensivmedizin sowie der Abteilung für pädiatrische Kardiologie der Universitätsklinik für Kinder-und Jugendheilkunde behandelt.
1993–1995 wurde für die pädiatrische Altersgruppe am AKH Wien ein epilepsiechirurgisches Programm etabliert. Seit 2005 werden die Kinder im Rahmen des Epilepsy Monitoring Units der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde betreut und abgeklärt. Das Zentrum am AKH Wien ist Referenzzentrum für Kinder mit medikamentös therapierefraktärer Epilepsie. Seit 2019 ist unser Epilepsiezentrum im Rahmen des „European Reference Network for rare and low prevalence complex diseases – ERN“ als einizges Referenzzentrum für Epilepsien (ERN EpiCare) in Österreich anerkannt.
Unsere therapeutischen Eingriffe im Rahmen der Epilepsiechirurgie umfassen Hemisphärotomien, multilobäre Diskonnektionen, fokale Resektionen gegebenfalls mit intraoperativer Elektrokortikographie, Callosotomien und Vagus-Nerv-Stimulatorimplantation. Viele dieser Eingriffe werden in Österreich nur an der Universitätsklinik für Neurochirurgie durchgeführt. Zum invasiven chronischen Monitoring werden fallabhängig Subdural- und/oder Tiefenelektroden implantiert.