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Pädiatrische Neurochirurgie

Pädiatrische Neurochirurgie: Schonende Endoskopie und Mikrochirurgie für die Kleinsten

Pädiatrische Neuroonkologie

Die gute interdisziplinäre Zusammenarbeit der Universitätskliniken für Neurochirurgie, Kinderheilkunde, Radiologie, Anästhesie und Radioonkologie bildet die Basis der pädiatrischen Neuroonkologie, um eine optimale Versorgung unserer kleinen Patient:innen zu gewährleisten.

In enger Kooperation mit der Klinischen Abteilung für Neuroradiologie werden laufend neue und innovative bildgebende Techniken für die Optimierung der präoperativen Diagnostik und Planung angewendet. Diese strukturellen und funktionellen bildgebenden Verfahren beinhalten funktionelles MR, resting-state fMRI (Functional Magnetic Resonance Imaging), Faserbahndarstellung mittels DTI (Diffusions Tensor Bildgebung), aber auch MR-Spektroskopie. Die daraus ermittelten Daten können mit Hilfe der intraoperativ angewendeten Neuronavigation direkt im OP-Saal als Unterstützung für die Tumorresektion angewendet werden.

Neben der Bildgebung repräsentiert auch das intraoperative neurophysiologische Monitoring eine wichtige Technik zur Überwachung von neurologischen Funktionen bei funktionell kritischer Tumorlokalisation (Rückenmark, Hirnstamm, Zentralregion).

Die direkte postoperative Überwachung erfolgt entweder auf der Pädiatrischen Intensivstation (PICU, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde) oder auf der Intermediate Care des Kinder OP-Zentrums (Universitätsklinik für Anästhesie). Anschließend werden die Kinder auf der Station für Pädiatrische Onkologie (Ebene 9, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde) weiterbetreut. Jeder Fall wird im Rahmen des interdisziplinären Pädiatrischen Tumor Boards besprochen und die individuell angepassten Therapien auf höchstem internationalem Niveau und nach internationalen Studienprotokollen etabliert.

Sowohl im Rahmen der abgeschlossenen (SIOP LGG 2003) als auch der neugeplanten (SIOP LGG 2014) europäischen Therapiestudie für niedriggradige ZNS Tumore ist Univ.-Prof. Thomas Czech Referenzneurochirurg und mitverantwortlich für die neurochirurgischen Protokollrichtlinien.

Für die SIOP CNS GCT II Therapiestudie zur Behandlung intrakranieller Keimzelltumore (icKZT) ist Thomas Czech ebenfalls Referenzneurochirurg und seit 2013 Vorsitzender der SIOP-BT Working Group für icKZT. Auch für die aktuelle SIOP Studie zur Behandlung von Ependymomen ist die Universitätsklinik für Neurochirurgie maßgeblich beteiligt.

Ass.-Prof. Christian Dorfer und Univ.-Prof. Thomas Czech sind innerhalb der SIOP (SIOP – Société Internationale d’Oncologie Pédiatrique) Mitglieder verschiedener Arbeitsgruppen, in denen neue Studienprotokolle entwickelt werden.

Kraniofaziale Malformationen

Die Kraniosynostosen entstehen durch einen vorzeitigen Verschluss von Schädelnähten, was zu Formveränderungen des Schädelknochens führt. Durch Imbalance zwischen Knochenan- und -abbau und Interaktion zwischen Schädeldach und -basis über die harte Hirnhaut (Dura mater) kommt es abhängig von der Lage der vorzeitig verschlossenen Naht zu jeweils typischen mehr oder weniger auffälligen Schädelformen. Durch einen rechtzeitigen Eingriff kann die Schädelform normalisiert werden.

Kraniosynostosen können unterschiedliche Ursachen haben. Manchmal stecken normale Veränderungen des starken Schädelwachstums in den ersten Lebensmonaten bis Jahren dahinter, manchmal aber auch Störungen des Knochenwachstums, die zu einer Beeinträchtigung des Aussehens und des Gehirnwachstums führen können. Die Diagnostik ist oft einfach und ohne radiologische Hilfsmittel möglich, kann aber auch komplexer sein und unterschiedlicher Spezialdisziplinen bedürfen. In unserer Spezialambulanz erfolgt sowohl die interdisziplinäre Abklärung von Auffälligkeiten des Schädelwachstums als auch die Planung der weiteren Behandlung.

Schädelwachstumsveränderungen bzw. Auffälligkeiten der kindlichen Kopfform durch Kraniosynostosen wurden in den vergangenen Jahrzehnten mit zunehmender Häufigkeit diagnostiziert. Dementsprechend ist die Anzahl der ambulanten Vorstellungen von Patient:innen mit Kraniosynostosen, ebenso wie die der chirurgischen Eingriffe, ansteigend.

Sowohl die Erstvorstellung als auch die weitere Betreuung von Patient:innen mit suspizierten oder diagnostizierten Kraniosynostosen erfolgt in einer wöchentlichen Spezialambulanz, in der die Abklärung und weitere neurochirurgische Betreuung ebenso wie die interdisziplinäre Begutachtung durchgeführt werden. Die operativen Eingriffe an diesen Patient:innen erfolgen in enger Kooperation mit der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, der Universitätsklinik für Anästhesie und der Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. 

Die häufigste Form der Kraniosynostosen ist die Sagittalnahtsynostose. Durch vorzeitigen Verschluss der Pfeilnaht entsteht ein länglicher schmaler Kopf, der auch Dolichocephalus (Langschädel) oder Scaphocephalus (Kahnschädel) genannt wird. Die Stirn wirkt oft groß, das Hinterhaupt schmal und manchmal ausladend. Buben sind häufiger betroffen.

Bei Neugeborenen kann die Therapie durch einfaches Eröffnen und Entfernen der verknöcherten Naht über einen ausreichend großen Bereich erfolgen.

Bei etwas älteren Kindern erfolgt der chirurgische Eingriff in Form einer Vertexkraniektomie, oft vor dem Ende des dritten Lebensmonats bis zu einem Alter von durchschnittlich acht Monaten.

Es kommt zu einer aktiven Umformung von Teilen des Schädelknochens im Scheitel- und Hinterhauptsbereich, um eine ausreichende Erweiterung des Schädelvolumens und gleichzeitig ein ästhetisch zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen.

Bei einem Trigonocephalus wird der gesamte Stirnbereich umgeformt, indem sowohl der obere Bereich der Stirn als auch der Übergang zur Schädelbasis, die obere Begrenzung der Augenhöhlen, von einer Dreiecksform in eine vorne gerade und seitlich gerundet verlaufende Form gebracht wird. Fixiert wird der Knochen in seiner neuen Form durch resorbierbare Haltenähte, Plättchen und Schrauben, die aus komplexen Zuckermolekülen zusammengesetzt sind und im Laufe der folgenden Monate langsam vom Körper abgebaut werden.

Eingriffe im frontoorbitalen Bereich bei ein- oder beidseitiger Coronarnahtsynostose oder bei Trigonocephalus mit Synostose der Sutura metopica erfolgen interdisziplinär gemeinsam mit der Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie.

Bei einem Plagiocephalus wird die asymmetrisch geformte Stirn und bei einem Brachycephalus die zu flache Stirn verändert, indem sowohl der obere Teil des Stirnknochens als auch der an die Schädelbasis grenzende Bereich mit der oberen Begrenzung der Augenhöhlen umgeformt wird. Auch bei diesem Eingriff wird die neu geformte Stirn in ihrer Position mit resorbierbaren Nähten, Plättchen und Schrauben fixiert.

Hydrocephalus, intrakranielle Zysten und Neuroendoskopie

Die Neuroendoskopie hat sich sowohl als eine eigenständige wie auch als eine zur Mikrochirurgie ergänzende Methode in der modernen Neurochirurgie etabliert und ermöglicht eine gering invasive Behandlung verschiedener neurochirurgischer Krankheitsbilder. Speziell für Kinder entwickelte Endoskope ermöglichen in Kombination mit der elektromagnetischen Neuronavigation Eingriffe bei intrakraniellen Zysten oder komplexen Hydrocephalusformen bereits bei Früh- und Neugeborenen.

Die endoskopische III. Ventrikulostomie stellt bei Formen von Verschlusshydrocephalus auch bei Kindern nicht nur eine gute Alternative zur Shuntoperation dar, sondern kann mit ihrer Erfolgsquote auch in dieser Altersgruppe als Therapie erster Wahl angesehen werden.

Endoskopische Ventrikulostomien an jungen Kindern im Alter von zwei Wochen bis zwei Jahren ermöglichten in mehr als 75 Prozent der Fälle eine Normalisierung des Liquorflusses ohne die Notwendigkeit der Implantation eines Shuntsystems.

Endoskopische Septostomien und andere intraventrikuläre Fenestrationen wurden in Verbindung mit einem Shuntsystem in der Behandlung von komplexen Formen eines posthämorrhagischen Hydrozephalus mit isolierten Anteilen des Ventrikelsystems bei Frühgeborenen mit extrem niedrigem Geburtsgewicht eingesetzt.

Es gibt unterschiedliche Therapiemöglichkeiten, wobei vor allem die mikrochirurgische Fenestration und Resektion und die endoskopische Fenestration je nach Lage der Zyste zu empfehlen sind. Intra- und paraventrikuläre Zysten bei Kindern konnten bereits ab einem Alter von wenigen Tagen durch eine einmalige endoskopische Fenestration erfolgreich behandelt werden.

Die endoskopische Behandlung ist weniger invasiv und bietet den Vorteil des kleineren Hautschnittes und Zugangs zur Zyste. Allerdings gibt es Eigenschaften der Zysten, die eine endoskopische Behandlung erschweren. In diesen Fällen ist einer mikrochirurgischen Behandlung der Vorzug zu geben.

Dysraphien und spinale Malformationen

Während die offenen Dysraphien durch die Entwicklungen der Pränatalmedizin in Europa nur mehr selten bei Neugeborenen vorkommen, sind es vor allem die geschlossenen spinalen Dysraphien, die von einer guten interdisziplinären Betreuung profitieren und deren neurochirurgische Behandlung durch systematischen Einsatz eines kompletten intraoperativen neurophysiologischen Monitorings optimiert wird.

In den vergangenen Jahren wurden vor allem Kinder aber auch Erwachsene mit unterschiedlichen Formen gedeckter Dysraphien operiert: Das Spektrum umfasst Lypomyelocelen, Meningocelen, Dermalsinus, Diastematomyelien,„tight filum terminale“ und Formen von caudalem Regressionssyndrom. Durch die mikrochirurgische Operationstechnik in Verbindung mit der intraoperativen Neurophysiologie kann eine bestmögliche medizinisch-therapeutische Lösung mit größtmöglicher Sicherheit für die Patient:innen gewährleistet werden.

Sowohl die perioperative als auch die Langzeitbetreuung dieser Patient:innen erfolgt interdisziplinär mit Spezialist:innen der Neuropädiatrie, Kinderurologie und Kinderorthopädie. Eine regelmäßige gemeinsame Besprechung erfolgt im Dysraphie Board. Die Erstvorstellung und weitere Betreuung von Patient:innen ist in unserer Spezialambulanz jeden Freitag möglich. Eine Terminvereinbarung wird empfohlen.

Vaskuläre Malformationen

Die Behandlung vaskulärer Malformationen des Kindesalters erfolgt analog zu jenen der Erwachsenen nach Diskussion im Vaskulären Board. Mikrochirurgie, endovaskuläre Verfahren und Radiochirurgie mit Gamma Knife kommen fallbezogen allein oder in Kombination zur Anwendung.

Die spezielle frühkindliche Entität der Vena Galeni Fehlbildungen wird endovaskulär in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Neonatologie, Neuropädiatrie und pädiatrische Intensivmedizin sowie der Abteilung für pädiatrische Kardiologie der Universitätsklinik für Kinder-und Jugendheilkunde behandelt.

Pädiatrische  Epilepsiechirurgie

1993–1995 wurde am AKH Wien ein epilepsiechirurgisches Programm unter Einbeziehung der pädiatrischen Altersgruppe etabliert. Seit 2005 werden die Kinder an der Epilepsy Monitoring Unit im Rahmen der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde betreut und abgeklärt. Das Zentrum am AKH Wien ist Referenzzentrum für Kinder mit medikamentös therapierefraktärer Epilepsie. Seit 2019 ist unser Epilepsiezentrum im Rahmen des „Eu- ropean Reference Network for rare and low prevalence complex diseases – ERN“ als einizges Referenzzentrum für Epilepsien (ERN EpiCare) in Österreich anerkannt.

Unsere therapeutischen Eingriffe im Rahmen der Epilepsiechirurgie umfassen Hemisphärotomien, multilobäre Diskonnektionen, fokale Resektionen gegebenfalls mit intraoperativer Elektrokortikographie, Callosotomien und Vagus-Nerv-Stimulatorimplantation. Viele dieser Eingriffe werden in Österreich nur an der Universitätsklinik für Neurochirurgie durchgeführt. Zum invasiven chronischen Monitoring werden fallabhängig Subdural- und/oder Tiefenelektroden implantiert.

Pädiatrische Boards

Kinder und Jugendliche mit Tumoren des ZNS werden im Rahmen des multidisziplinären pädiatrisch-neuroonkologischen Tumorboards (MTB), als fixer Bestandteil des Patient:innen Managements besprochen. Teilnehmer:innen sind Neuroradiologie, Neurochirurgie, pädiatrische Neuroonkologie und Neuropsychologie, Strahlentherapie, Neuropathologie, sowie fallbezogen zugezogene Fachrichtungen.

Besprochen werden in Therapie bzw. Kontrolle befindliche Patient:innen, neudiagnostizierte Patient:innen, im Rahmen der nationalen Referenzfunktion unseres Zentrums vorgestellte Patient:innen (für niedriggradige Gliome, ZNS-Keimzelltumore und AT/RT) sowie zur Zweitmeinung vorgestellte auswärtige Patient:innen.

Kinder und Jugendliche mit verschiedenen Epilepsie-Formen werden im Rahmen einer für pädiatrische Fälle vorbehaltenen regelmäßigen multidisziplinären pädiatrischen Epilepsiekonfererenz diskutiert. Teilnehmer sind neben pädiatrischen Epileptolog:innen und Neurochirurg:innen, Neuroradiolog:innen, Neuronuklearspezialist:innen und Neuropsycholog:innen.

Für Patient:innen mit dysraphischen Störungen erfolgt seit 2013 regelmäßig an der Universitätsklinik für Neurochirurgie Wien eine interdisziplinäre Besprechung. Beteiligt an dieser Besprechung sind neben der Neurochirurgie, Ärzt:innen der Neuropädiatrie, der Kinder- chirurgie und Kinderurologie sowie der Neuroradiologie. Die unterschiedlichen Formen der spinalen Dysraphien stellen seltene, sehr komplexe Krankheitsbilder dar, deren betroffene Patient:innen von einem interdisziplinären Therapie-Management wesentlich profitieren.

Es werden sowohl Erstvorstellungen, Operationsindikationen, neuroradiologische, neurologische und urologische Befunde und Untersuchungsergebnisse diskutiert und das weitere Vorgehen festgelegt.