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Geschichte

Exkurs in die Jahrtausende alte Geschichte der Neurochirurgie

Im burgenländischen Zillingtal wurde 1984 ein neolithisches Skelett eines 35- bis 40-jährigen Mannes mit Schädeltrepanation entdeckt, der aufgrund seiner Datierung ins Neolithikum, Badener Kultur (3500–2700 v. Chr), als bisher ältester Nachweis dieses neurochirurgischen Eingriffes auf österreichischem Territorium gilt.

Im Niederösterreichischen Traisental wurde 1981 ein Kinderschädel mit Trepanation entdeckt, der in der Frühbronzezeit (2020–1770 v. Chr) datiert wurde.

Die neolithischen „Neurochirurgen“ verwendeten Steinmesser und -beile, aber seit der griechischen und römischen Antike wurden für Trepanationen Perforativ- oder Kronentrepane verwendet. Für die Durchführung einer Trepanation kamen medizinisch- als auch magisch-therapeutische Indikationen in Frage.

Trepanationen an lebenden Menschen wurden im frühen Mittelalter durch die Kirche verboten und nur geheim von Scharlatanen durchgeführt, die meinten, Geisteskrankheiten herausoperieren zu können. Schädeloperationen nahmen im 13.–16. Jahrhundert wieder zu, dann im 18. Jahrhundert, als das Verbot aufgehoben wurde, wurden sie vor allem aufgrund einer medizinischen Indikation durchgeführt.

Die Geschichte der Neurochirurgie am Wiener Allgemeinen Krankenhaus  wurde im Jahre 1904 von Prof. Anton Freiherr von Eiselsberg (1860–1939), durch die Operation an einem zerebralen Tumor, einem Gliom, begründet. Als Erstem auf dem europäischen Kontinent gelang ihm dann 1907 die erfolgreiche Entfernung eines Rückenmarktumors. Eiselsberg, ehemaliger Assistent von Theodor Billroth, war 1901–1931 Leiter der I. Chirurgischen Universitätsklinik Wiens, wo er eine der größten medizinischen Schulen heranbildete.

Egon Josef Anton Ranzi (1875–1939) begann 1902 die chirurgische Ausbildung bei Anton Eiselsberg und wurde 1932 Nachfolger seines Lehrers. Sein Haupttätigkeitsbereich war die Neurochirurgie, was sich in seinen zahlreichen  wegweisenden Publikationen widerspiegelt: z.B. „Chirurgische Anatomie und Operationstechnik des Zentralnervensystems“ (1920); „Die Chirurgie des Gehirns und seiner Häute“ (1929); „Chirurgie des zentralen und peripheren Nervensystems“ (1930).

Leopold Schönbauer  (1888–1963) war 1939–1960 Vorstand und Ordinarius an der I. Chirurgischen Universitätsklinik im Allgemeinen Krankenhaus und entwickelte diese zu einem Zentrum für Neurochirurgie. Schönbauer beschäftigte sich intensiv mit Gehirntumoren, Hirnödemen und Gehirnerschütterung. Damit wurde die Neurochirurgie zu einem integralen Bestandteil der Chirurgie des Wiener Allgemeinen Krankenhauses. Die Schrift „Hirnchirurgie: Erfahrungen und Resultate“, zur Pathologie und Therapie von Gehirntumoren, zählt zu den ersten deutschsprachigen Werke auf diesem Gebiet.

©Universitätsklinik für Neurochirurgie
Otto Marburg, Julius Tandler

Otto Marburg (1874–1948) und Julius Tandler (1869–1936), Wiener Koryphäen auf dem Gebiet der Neurologie bzw. Anatomie, arbeiteten intensiv mit den Neurochirurgen dieser Zeit zusammen. Marburg war nicht nur beratend an der Seite von Eiselsberg tätig, sondern operierte auch. Er hat wesentlich zur Entwicklung der Neurochirurgie beigetragen, aber war ein Gegner ihrer Verselbstständigung.

1954 – Die Österreichische Gesellschaft für Neurochirurgie wurde als „Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Neurochirurgie“ ins Leben gerufen. Für überragende Verdienste auf dem Gebiet der Neurochirurgie verleiht sie seit 1993 die Herbert-Kraus-Medaille.

1964 – Während die Wiener Neurochirurgen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhundert an die normale Chirurgie „angehängt“ waren, wurde die Neurochirurgie erst 1964 ein eigenes Fach und erhielt damals einen Lehrstuhl an der Uni Wien.

Es erfolgte auch die Gründung einer eigenständigen Klinik für Neurochirurgie durch Herbert Wolfgang Kraus (1910–1975), der in der Vision Leopold Schönbauers die Wiener Gehirnchirurgie weiterbaute. Es entstanden einzelne Arbeitsgruppen, darunter die pädiatrische und stereotaktische Neurochirurgie.

1976 – Der „Facharzt für Neurochirurgie“ wurde geschaffen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren alle neurochirurgisch tätigen Ärzt:innen als Allgemeinchirurg:innen geführt.

1977–1978 beginnt der Neubau einer neurochirurgischen Abteilung am Wiener AKH beim Währinger Gürtel. Unter Wolfgang Koos, (1930–2000), Vorstand der Neurochirurgischen Universitätsklinik von 1978–1998, wurde die Neurochirurgie ein integraler Bestandteil der Ausbildung an der MedUni Wien. Durch seine Initiative entstand die Wiener Universitätsklinik für Neurochirurgie in ihrer heutigen Form. Er baute sie zu einem der größten neurochirurgischen Zentren der Welt aus.

1984 – Durch die Umsiedelung in das neu geschaffene Wiener AKH als Universitätsklinik für Neurochirurgie entstanden neue Möglichkeiten zur Forschung (Forschungslaboratorien) sowie zur Behandlung von Patient:innen durch minimal invasive Verfahren (Gamma-Knife, Endoskopie).

2002 übernahm Prof. Dr. Engelbert Knosp die Leitung des Hauses.  

Die Wiener Universitätsklinik für Neurochirurgie heute

2019 - Karl Rössler übernimmt die Klinikleitung
© Universitätsklinik für Neurochirurgie
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Univ.-Prof. Karl Rössler – Antrittsvorlesung, „Neurochirurgie reloaded“, 20.09.2019

Mit 1. Juli 2019 übernimmt Karl Rössler die Professur für Neurochirurgie und die Leitung der Universitätsklinik für Neurochirurgie der MedUni Wien.

Karl Rössler studierte Medizin in Wien und absolvierte die Facharztausbildung bei Wolfgang Koos an der Universitätsklinik für Neurochirurgie Wien, wo ihm auch die Venia Docendi für das Fach Neurochirurgie und vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung der Berufstitel eines Universitätsprofessors verliehen wurde.

In weiterer Folge leitete er als Chefarzt die Abteilung für Neurochirurgie des Krankenhauses Feldkirch/Vorarlberg, bevor er als Stellvertretender Klinikdirektor der Neurochirurgischen Klinik an die Friedrich-Alexander Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg wechselte.

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