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Funktionelle Erkrankungen des Nervensystems und Epilepsie

Das Leistungsspektrum unserer Klinik wird auch durch die neurochirurgische Behandlung  funktioneller Störungen im Bereich des Nervensystems wie Neuralgien, Schmerzen (z.B. Cluster-Kopfschmerzen), Spastik und Bewegungsstörungen komplettiert. In weiterer Folge ist auch die Psycho-Neurochirurgie zu erwähnen, die Medikamententherapie-refraktäre psychisch-funktionelle Störungen wie Depressionen oder Zwangsstörungen mit reversiblen, nicht zerstörerischen Eingriffen am Gehirn behandelt. Eine große Gruppe der funktionellen Störungen des Gehirns bilden die Epilepsien.

Die funktionelle Neurochirurgie umfasst eine sehr breite Palette von operativen Möglichkeiten, Krankheiten zu erleichtern, ohne chirurgisch resezieren zu müssen. Man greift stattdessen modulierend in neurologische Regelkreise und Nervenfunktionen ein. Unsere Therapiekonzepte für Funktionsstörungen des ZNS werden in den Bereichen Funktionelle Neurochirurgie, bzw. Epilepsie Chirurgie näher präsentiert. Interdisziplinarität spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle in der Therapiewahl, wofür das Epilepsiechirurgie Board , das Movement Disorder Board und die Interdisziplinäre Schmerzkonferenz etabliert wurden.

Typische Krankheitsbilder der funktionellen Neurochirurgie sind:

© sruilk/Shutterstock.com
Tremor

Die Behandlung von neuropsychiatrischen Erkrankungen wie Depressionen, Zwangsstörungen (wiederkehrende Zwangshandlungen und Zwangsgedanken),  und Tourette-Syndrom (motorischen und vokale Tics) erfordert ein multidisziplinäres Therapiekonzept bestehend aus Psycho- und Verhaltenstherapie, sowie eine medikamentöse Therapie mit Antidepressiva. Betroffene Patient:innen sind in allen Bereichen des Alltags schwer eingeschränkt, da Depressionen und Zwänge ihr Verhalten dominieren.

Tremor, Morbus Parkinson und Dystonien (unwillkürliche, anhaltende Verkrampfungen der Skelettmuskulatur) gehören zu den extrapyramidalen motorischen Störungen des ZNS.

Tremor (Zittern) äußert sich durch regelmäßige, unwillkürliche, rhythmische Muskelkontraktionen, ist aber keine eigenständige neurochirurgische funktionelle Erkrankung, sondern ein Symptom, das im Zusammenhang mit anderen Grunderkrankungen auftreten kann. Die Diagnose von Tremor ist komplex und soll durch ein interdisziplinäres Team aus Neurolog:innen und Neurochirurg:innen gestellt werden.

Die fünf Tremorformen sind: Essenzieller Tremor (ET), Tremor bei Parkinson-Erkrankung (PT), Dystoner Tremor (DT), Mittelhirntremor und Tremor bei Multipler Sklerose (MST). Wichtig für das therapeutische Vorgehen ist auch die Tremorfrequenz sowie die Unterscheidung zwischen Ruhe-, Halte- und Aktionstremor.

Die Pharmakotherapie bei Tremor erwies sich mit der Zeit als eher erfolgslos, dafür aber setzte sich THS als effektivere Behandlung durch.

Vielen Patient:innen, die an psychisch-motorischen neurochirurgischen Erkrankungen leiden, kann mit der herkömmlichen pharmakologischen Behandlung, sowie Physio- und Psychotherapie, bzw. mikrochirurgischen Eingriffen oft nicht geholfen werden. In diesen Fällen gibt es die Möglichkeit einer Elektrokrampftherapie – Die tiefe Hirnstimulation (THS oder engl. DBS-Deep Brain Stimulation). 

THS ist ein reversibler, minimal invasiver, durch die Patient:innen selbst kontrollierbarer, neurochirurgischer Eingriff in das Gehirn, eine auf leichte elektrische Reize basierende Behandlungsalternative für Patient:innen, die auf klassische Behandlungskonzepte therapieresistent sind. THS ist die einzige neurochirurgische Methode, die eine Verbindung zur Therapiekontrolle erlaubt.

Das THS-System besteht aus 4 Komponenten:

  • Stereotaktische Elektroden: dünne, flexible Drähte aus Titan mit Metallkontakten an der Spitze, die in bestimmten Bereichen des Gehirns mittels einer Bohrlochtrepanation implantiert werden, um abnormale Hirnaktivitäten zu kontrollieren bzw. zu verhindern.
  • Verlängerungskabel: ein dünner, isolierter Draht, der unter der Haut verläuft und die im Kopf sitzenden Elektroden mit dem Schrittmacher (Neurostimulator) verbindet.
  • Schrittmacher (Impulsgenerator): erlaubt die Programmierung der Stimulationsparameter. Er ist ca. 5/4 cm groß und wird unter der Haut im oberen Brustbereich implantiert. Hier werden die für die Stimulation erforderlichen elektrischen Impulse erzeugt, wobei die elektrischen Reize präzise gewählte Hirnareale beeinflussen.
  • Programmiergerät: überprüft die Einstellungen und Funktionen des Neurostimulators von außerhalb des Körpers. 

© MRT-Scanner abstract/Shutterstock.com

Trigeminusneuralgie
Die Trigeminusneuralgie ist ein starker Gesichtsschmerz infolge einer Funktionsstörung des 5. Hirnnervs (Trigeminusnerv). Dieser Nerv leitet Sinnesinformationen vom Gesicht zum Gehirn und steuert die Muskeln, die zum Kauen benötigt werden.
Sollte die konservative medikamentöse Behandlung nicht erfolgreich sein, stehen einige  invasive Behandlungen, wie die vaskuläre mikrochirurgische Dekompression - Operation nach Jannetta, bei der der Trigeminalnerv freigelegt wird, die nicht-chirurgische Ballonkompression oder die stereotaktische Radiochirurgie/Gamma Knife zur Verfügung.

Migräne
Eine Migräne ist gekennzeichnet durch meist halbseitigeanfallsartige, pulsierende Kopfschmerzen. Häufig sind die Kopfschmerzen begleitet von vegetativen Begleitsymptomen wie Übelkeit, Erbrechen und Lichtempfindlichkeit und dauert zwischen mehreren Stunden bis zu 3 Tagen. Im Regelfall wird Migräne erfolgreich medikamentös behandelt. Für chronische, pharmakoresistente Erkrankungen, werden funktionelle neurochirurgische Behandlungsmöglichkeiten, wie die okzipitale Nervenstimulation, angewendet,

Weitere komplexe Schmerzsyndrome sind: Schmerzen nach einem Schlaganfall oder einer Rückenoperation, Cluster-Kopfschmerzen, Phantom- und Stumpfschmerzen.

Bei Hemispasmus facialis handelt es sich um eine Bewegungsstörung der Gesichtsmuskulatur, die sich durch wiederholende, unwilllkürliche, einseitige Kontraktionen der Gesichtsmuskeln, die oft entstellend und schmerzhaft sind. Ursache für das Erkrankungsbild ist in den meisten Fällen eine durch ein Blutgefäß verursachte Kompression der Nervenaustrittstelle des Nervus facialis
In leichteren Fällen kann die Erkrankung konservativ medikamentös mit Antiepileptika (z.B. Gabapentin oder Carbamazepin) behandelt werden. Bei weiter bestehenden Spasmen wird Botox in die Gesichtsmuskulatur injiziert, um die Spasmen zu unterdrücken. In schweren Fällen sind neurochirurgische Maßnahmen notwendig, wie zum Beispiel eine mikrovaskuläre Dekompression.

Bei der Epilepsie, einer der häufigsten chronischen Erkrankungen des Zentralnervensystems, kommt es im gesamten Gehirn oder in einzelnen Hirnarealen zu einer simultanen übermäßigen elektrischen Signalübertragung zwischen Nervenzellen. Das verursacht eine vorübergehende Störung der Hirntätigkeit, wodurch die sogenannten epileptischen (Krampf)Anfälle ausgelöst werden.

Viele Epilepsieformen beginnen bereits im Kindesalter. Mögliche Ursachen für Epilepsien sind Hirnfehlbildungen (fokale cortikale Dysplasien), Hirntumore, vor oder während der Geburt entstandene Hirnschäden sowie Hirnhautentzündungen und schwerwiegende Kopfverletzungen, wobei bei manchen Epilepsien keine Ursachen erkannt werden können.

Man unterscheidet fokale Epilepsien, bei denen der Anfall von einer bestimmten klar abgrenzbaren Hirnregion ausgeht, auch epileptogener Herd oder Fokus genanntund generalisierte Epilepsien, wo der Anfall beide Gehirnhälften gleichzeitig umfasst.

Ein Team aus Spezialist:innen aus verschiedenen Fachgebieten analysiert gemeinsam  jeden individuellen Fall, um die bestmögliche Behandlung für unsere Patient:innen zu finden. Zwei Drittel der Patient:innen mit Epilepsie können durch Medikamente anfallsfrei werden, aber bei etwa 30 % ist die Erkrankung therapierefraktär bzw. pharmakoresistent. Je nach Ursache der Epilepsie, der Lokalisierung und der Ausdehnung des kranken Gewebes wird eine andere Operationstechnik angewendet. Das können mikrochirurgische Eingriffe sein, aber auch minimalinvasive Methoden wie die Roboter- und MR-gesteuerte Laserablation.

Die Epilepsiechirurgie stellt eine besonders wirksame Behandlungsoption und eine weitere Chance auf Anfallsfreiheit dar. Je früher die Abklärung und eine mögliche Operation zugeführt werden kann, desto besser stehen die Chancen für ein anfallfreies Leben mit minimalen Einschränkungen. Eine der Voraussetzungen für eine erfolgreiche Operation ist eine möglichst genaue Abgrenzung des Epilepsieursprungs, durch bildgebende Verfahren, Anfalls-Monitoring oder gelegentlich durch das direkte Einsetzen von Elektroden. Im Rahmen einer mehrstündigen Operation wird dann das präzis definierte kranke Hirngewebe, die sogenannte Läsion, entfernt, oder, ohne benachbarte Hirnareale zu schädigen, vom Gehirn „abgekoppelt“.

Durch die wissenschaftlichen und medizinisch-technischen Fortschritte in der Neurochirurgie, der Anästhesie und Intensivmedizin sind epilepsiechirurgische Eingriffe heutzutage sehr sicher und können auch schon bei Kleinkindern im 1. Lebensjahr durchgeführt werden.

Neben der gezielten neurochirurgischen Entfernung von Epilepsieherden im Gehirn kommen auch die minimal-invasive Implantation von Vagus-Nerv-Stimulatoren (VNS-Systeme) oder die Tiefe Hirnstimulation (DBS) zum Einsatz. Das Verfahren der Vagus-Nerv-Stimulation ermöglicht, ohne direkte chirurgische Eingriffe durchzuführen, eine erfolgreiche Behandlung schwerster Epilepsieformen, ausschließlich durch die Stimulation des Nervus Vagus über einen speziellen „Nervenschrittmacher“.

Unsere Ziele sind:

  • Umfangreiche Information der Patient:innen und Angehörigen über Erkrankung, Diagnose, Therapie und bei Bedarf Nachbehandlung
  • Anfallsfreiheit bzw. Anfallsreduktion
  • Reduktion der Medikamenteneinnahme und -nebenwirkungen
  • Hohe Lebensqualität, Weiterentwicklung des geistigen, motorischen und sozialen Potentials unserer epilepsiekranken Patient:innen

Unsere Klinik arbeitet mit dem Epilepsiezentrum der Universitätsklinik für Neurologie zusammen.

Die Diagnose „Hydrozephalus“ wird zwar vorwiegend im pädiatrischen Zusammenhang gestellt, aber oft auch bei adulten Patient:innen. Durch die übermäßige Ansammlung von Hirnwasser (Liquor cerebrospinalis) und die Erweiterung der inneren oder äußeren Liquorräume des Gehirns kommt es zu einer Liquorzirkulations- oder einer Liquor-Produktions/Resorptions-Störung mit oder ohne erhöhtem intrakraniellen Druck. Ein Hydrozephalus kann angeboren oder erworben sein.

Im Erwachsenenalter treten die sekundären, erworbenen Hydrozephalusformen in den Vordergrund, die auf Blockaden bzw. Abflussstörungen zurückzuführen sind. Diese treten nach Blutungen, Infektionen, Tumoren oder neurochirurgischen Eingriffen auf.

Der Hydrocephalus malresorptivus entsteht bei gestörter Resorption der Cerebrospinalflüssigkeit in den Arachnoidalzotten des Subarachnoidalraumes. Dies geschieht durch Blut, das bei Subarachnoidal- oder Ventrikelblutungen, Meningitis, sowie Tumorerkrankungen in den Liquor gelangt.

Der Hydrocephalus occlusus oder Verschlusshydrozephalus wird oft durch einen Tumor, der die Liquorabflusswege verlegt, oder durch eine Einengung des Aquädukts der Verbindung zwischen der 3. und 4. Hirnkammer (Ventrikel) verursacht.

Ein Hydrocephalus e vacuo entsteht durch eine Hirnatrophie als natürlicher Alterungsvorgang des Gehirns oder als Folge neurodegenerativer Erkrankungen wie Multisystematrophie, Morbus Parkinson, Morbus Alzheimer und Durchblutungsstörungen. Dieser Zustand führt zu einer nicht-aktiven Volumenvergrößerung des Liquors, jedoch nicht zum erhöhten Hirndruck. 

Der Normaldruckhydrozephalus (Normal Pressure Hydrocephalus, NPH) ist eine Sonderform des Hydrocephallus, bei der vor allem ältere Menschen (>65 Jahre) betroffen sind. In der Bildgebung sind erweiterte innere Liquorräume bei normalen oder engen äußeren Liquorräumen erkennbar. Der gemessene intrakranielle Druck ist nur phasenweise erhöht, sonst relativ normal, was namensgebend für die Erkrankung ist. 

Die typische Symptomatik des Normaldruckhydrozephalus, die der von Alzheimer oder Parkinson sehr ähnlich ist, wird, nach dem kolumbianischen Neurochirurgen Salomon Hakim, als Hakim-Trias bezeichnet und umfasst Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen bis zur Demenz, kleinschrittige, magnetisch haftende und breitbasige Gangstörung (Ataxie) und Harninkontinenz.

Diagnostisch wegweisend ist ein Liquorablassversuch (Spinal-Tap-Test). Da­bei werden 30–50 ml Liquor ein­ma­lig oder wie­der­holt ü­ber Lumbal­punkti­on entnom­men. Kommt es dadurch zu einer Besserung der neurologischen Symptomatik, wird die Indikation zu einer Operation gestellt. Das Therapieziel ist eine permanente Ableitung des Liquors aus dem Seitenventrikel. Somit wird der Normaldruckhydrozephalus neurochirurgisch mithilfe eines ventrikuloperitonealen oder ventrikuloatrialen Shunts behandelt.

Von der Dynamik her unterscheidet man zwischen chronischem und akutem Hydrozephalus, Letzterer mit dringendem Handlungsbedarf.