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Neurochirurgisches Forschungslabor

Das Neurochirurgische Forschungslabor stellt einen interdisziplinären Knotenpunkt unterschiedlicher klinischer Disziplinen, die sich mit Erkrankungen des ZNS sowie deren Grundlagenforschung befassen, dar und verfolgt das Ziel, die Ursachen bestimmter Erkrankungen des Gehirns, allen voran Tumoren und Epilepsien, auf zellbiologischer Ebene genauer zu erforschen.

Durch die neu gewonnen biologischen Erkenntnisse sollen Biomarker definiert werden, die den Verlauf dieser Krankheiten auch voraussagen können, das Ausmaß der chirurgischen Intervention optimieren, oder auch als Angriffspunkte für neue Therapien dienen können. Dadurch soll die Lebenserwartung bei Hirntumoren verbessert werden bzw. die biologischen Grundlagen von Epilepsien besser verstanden und therapiert werden können.

Das Neurochirurgische Forschungs-Labor Reloaded

Der Beginn des Neurochirurgischen Forschungslabors der Universitätsklinik für Neurochirurgie geht auf das Jahr 1984 zurück, als Univ.-Prof. Wolfgang Koos im Zuge des Neubaus der Universitätsklinik für Neurochirurgie ein Labor auf der OP-Ebene einrichtete. Dadurch konnte innerhalb von Minuten ein histologischer Befund erstellt werden und damit intraoperativ Art und Ablauf der Operation angepasst werden (Biopsie, Teilresektion oder Komplettresektion).

Das führte zu einer großen Expertise in der intraoperativen Schnellschnittdiagnostik. Bereits damals begann man Gewebeproben von Hypophysenadenomen, Meningiomen und Gliomen zu archivieren und konnte daher schon sehr früh immunhistochemische Studien zur Proliferationskinetik dieser Hirntumoren durchführen und diese erfolgreich mit der Prognose bzw. mit dem Risiko des Auftretens von Tumorrezidiven korrelieren (Kitz K et al: Proliferation in pituitary adenomas: measurement by MAb KI 67. Acta Neurochir Suppl (Wien). 1991;53:60-4). Seither hat sich das Labor kontinuierlich weiterentwickelt. Eine neurochirurgische Biobank, die Tumorgewebe, Blutproben und Liquorproben enthält, wurde aufgebaut.

Das neurochirurgische Forschungslabor wurde im Mai 2020 von Mag. Daniela Lötsch-Gojo übernommen, mit dem Ziel, das Labor auf den neuesten Stand der Technik zu bringen und neuroonkologische Forschungsprojekte aufzubauen. Frau Lötsch-Gojo hat bereits seit Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere am Neuromed Campus des Kepler Universitätsklinikums in Linz sowie später am Krebsforschungszentrum der Meduni Wien viel Erfahrung in der Grundlagenforschung von pädiatrischen und adulten Hirntumoren gesammelt. Aufgrund dieser langjährigen wissenschaftlichen Forschungskarriere konnte sie sich ein erfolgreiches nationales sowie internationales Forschungsnetzwerk aufbauen.

Unter ihrer Leitung wurden bereits zahlreiche Geräte angeschafft, die ein eigenständiges wissenschaftliches Arbeiten in den Laboren der Neurochirurgie ermöglichen.

Im neurochirurgischen Forschungslabor werden seit 2009, in Kooperation mit dem Zentrum für Krebsforschung,  Zellkulturen von unterschiedlichen Hirntumor-Entitäten angelegt, die für molekularbiologische Analysen herangezogen werden können. Insgesamt wurden bis 2021 307 Zellmodelle aus adulten und 201 aus pädiatrischen Hirntumorgewebeproben etabliert.

Da vor allem bei Gliomen, trotz Resektion und aggressiver Radio/Chemotherapie, das mittlere Überleben  nur 15–18 Monate beträgt, ist es von essentieller Bedeutung, neue diagnostische, prognostische sowie therapeutische Biomarker zu entdecken. Der Ausbau unserer Biobank ist somit unabdinglich zur Durchführung von genomweiten molekularen Analysen, um komplexe Erkrankungen besser zu verstehen und relevante Erkenntnisse im Hinblick auf personalisierte Therapien zu gewinnen.

Dies zeigte auch eine Studie in Kooperation mit dem Abteilung für Neuropathologie und Neurochemie und dem CeMM – Research Center for Molecular Medicine of the Austrian Academy of Sciences. Mit Hilfe der DNA-Methylierungsanalyse konnten klinisch relevante Tumoreigenschaften - wie z.B. Immunzellinfiltration oder transkriptionelle Subtypen - auf epigenetischer Ebene abgebildet und deren charakteristische Veränderungen im Verlauf der Erkrankung aufgezeigt werden.

Das Forschungslabor setzt auch einen Schwerpunkt bei der Entdeckung molekularer Mechanismen, die der 5-ALA-Fluoreszenz-gestützten chirurgischen Entfernung von Hirntumoren (vor allem Gliomen) zugrunde liegen. 5-Aminolävulinsäure (5-ALA) reichert sich in Tumorzellen an und wird dort zu fluoreszierenden Protoporphyrin IX umgewandelt, welches in blauem Licht leuchtet und somit Hirntumore „sichtbar“ macht. Protoporphyrin IX wird durch die Häm-Biosynthese gebildet. Im Rahmen der Untersuchungen werden verschiedene Enzyme der Häm-Biosynthese analysiert, um Faktoren zu identifizieren, die die Protoporphyrin IX-Fluoreszenz beeinflussen, und um diese anschließend beeinflussen zu können. Dabei werden sowohl molekulargenetische Analysen als auch histopathologische und immunhistochemische Ergebnisse kombiniert.

Daniela Lötsch-Gojo gelang es bereits während ihrer PhD-Zeit im Labor von Univ.-Prof. Dr. Walter Berger (Zentrum für Krebsforschung) in Zusammenarbeit mit der Universitätsklink für Neurochirurgie und der Universitätsklink für Neurologie – Abteilung für Neuropathologie und Neurochemie (Univ.-Prof. Dr. Johann Hainfellner) zweidimensionale und sphäroide Zellmodelle aus frischem Material von Glioblastom-Patient:innen zu etablieren. Sie konnte auch in Kooperation mit der Universitätsklinik für Kinder-und Jugendheilkunde seltene pädiatrische Hirntumormodelle mit ganz spezifischen Alterationen in Kultur bringen (u.a. Medulloblastome, Ependymome). Diese Modelle dienen als Grundlage für verschiedenste Forschungsprojekte und ermöglichen die molekulare Charakterisierung der entsprechenden Tumore sowie die Entdeckung und Verifizierung von neuen Therapietargets.

Aufgrund dieser einzigartigen Zellmodelle arbeitet Lötsch-Gojo gemeinsam mit dem Zentrum für Krebsforschung und der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde am Prestigeprojekt ITCC-P4 mit (www.itccp4.eu, Gesamtfördervolumen: 18.131.961 Euro), das dem Aufbau einer Plattform für präklinische Therapietestungen in pädiatrischen Krebsarten dient.
Die rezente Arbeit im Acta Neuropathologica, die den FGFR als neues Therapietarget in aggressiven pädiatrischen Ependymomen beschreibt, konnte Lötsch-Gojo nur durch diese wertvollen Zellmodelle erfolgreich beforschen. Auf diese Publikation bauen mehrere zukünftige Forschungsprojekte auf, mit dem Schwerpunkt, die Zelldifferenzierung mittels  neuer Therapien in Zell- sowie Organoidmodellen vom Ependymom zu induzieren und somit das Tumorwachstum zu verlangsamen.
Ein Projekt aus diesem Forschungsschwerpunkt wurde beim Letzten Call des „Fonds der Stadt Wien für innovative interdisziplinäre Krebsforschung“ mit dem Titel: „Maturation-targeting therapies – an innovative strategy for aggressive ependy“, mit 79.530 Euro gefördert. Dieses Projekt soll in einem größeren Umfang, in Kooperation mit Marcel Kool, Forschungsgruppenleiter am Princess Maxima Center for Pediatric Oncology in Utrecht/ NL, erweitert werden.

Sowohl Frau Lötsch-Gojo als auch Herr Kool fungieren als PIs (Principal Investigator) des Projekts „Targeting undifferentiated cellular states to combat aggressive ependymoma“ (TRAFO, Fördersumme: 500.000 Euro), welches die Erlaubnis für einen Vollantrag beim Fight Kids Cancer Call 2021–2022 erlangt hat. Theresa Zehetbauer, Medizinstudentin, arbeitet ebenfalls im Zuge ihrer Diplomarbeit an der Beschreibung von Differenzierungsmarkern im Ependymom. Bei dieser Arbeit fungiert Lötsch-Gojo als Juniorbetreuerin und Christian Dorfer als Seniorbetreuer.

Ein weiteres kollaboratives Projekt (Universitätsklinik für Kinder-und Jugendheilkunde, St. Anna Kinderkrebsforschung und Veterinärmedizinische Universität Wien) zum Thema Ependymome mit dem Titel: „Map and manipulate cellular states of ependy- moma – MMiraCLE“, wird im Rahmen einer Forschungsgruppeneinreichung (FWF, 1.492.677,74 Euro) gerade begutachtet.

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt stellt die Aufklärung der molekularen Grundlagen der Zellimmortalisierung in hochgradigen pädiatrischen und adulten Hirntumoren dar. Zu diesem Thema konnten in Kooperation mit dem Krebsforschungszentrum und dem Neuromed Campus des Kepler Universitätsklinikums in Linz, schon einige Top-Arbeiten publiziert werden (kumulativer Impact Faktor 57). Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen in diesem Forschungsfeld erwarb Frau Lötsch-Gojo nach ihrem PhD auch eine Hertha Firnberg Forschungsförderung des FWFs (Titel: „TERT promoter mutations and cancer aggressiveness, T906-B28”; Fördersumme 230.010 Euro). Dieses Projekt befindet sich aktuell in der finalen Phase. Ein Folgeprojekt beschäftigt sich mit den biologischen Grundlagen der Zellimmortalisierung und erhielt vom Comprehensive Cancer Center eine Forschungsförderung der Initiative Krebsforschung mit dem Titel, „Receptor tyrosine kinase signaling activation as driver for TERT promoter mutations in glioblastoma“, Fördersumme: 35.000 Euro. Die Mechanismen der Zellimmortalisierung im Ependymom werden derzeit auch im Zuge einer PhD-Arbeit von einer Studentin am Zentrum für Krebsforschung (Supervisor Walter Berger) erforscht.

  • „miRNAs als Modulatoren um Glioblastome für Immuntherapien empfänglich zu machen“
    Projektvolumen: 20.000 Euro
    Projektleiter: Mag. Dr.med.univ. Friedrich Erhart
    Förderung: Bürgermeister-Fonds der Stadt Wien

  • „Pathophysiology of Edema Formation and Epilepsy in Intracranial Meningiomas: A Study on Tissue and CSF Molecules“
    Projektvolumen: 63.757,50 Euro
    Projektleiter: Mag. Dr.med.univ. Dorian Hirschmann
    Förderung: Fonds der Stadt Wien für innovative interdisziplinäre Krebsforschung
    Erforscht wird der Zusammenhang zwischen Ödem und Epilepsie bei Meningiomen. Um dieses Projekt durchführen zu können, werden im Labor Tumorproben und Liquor für Metabolomics- und Lipidomics-Messungen aufbereitet, die am Institut für Analytische Chemie der Universität Wien unter der Leitung von Univ.-Prof.in Dr.in Gunda Köllensperger durchgeführt werden.

  • Lötsch-Gojo ist auch Kooperationspartnerin in einem FFG Projekt, welches unter der Leitung von Josef Penninger ​​​​​( JLP Health am Vienna Biocenter) und Univ.-Prof. Walter Berger (Zentrum für Krebsforschung) läuft. Das Ziel dieses gemeinsamen Projekts ist, die Kombination von Artemisinin mit 5-ALA präklinisch zu erforschen, um darauf aufbauend eine klinische Phase I/II-Studie initiieren zu können.
    Parallel ist das Forschungslabor auch an einer Revision zu diesem Thema im Journal of Experimental Medicine beteiligt: „A whole genome scan for Artemisinin cytotoxicity reveals a novel therapy for human brain tumors“

  • Im Rahmen einer Kooperation mit Univ.-Prof. Walter Berger (Zentrum für Krebsforschung) und mit der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde soll die Technologie der Etablierung orthotoper Glioblastome in Mäusehirnen aufgebaut werden, um sie für die präklinische Forschung von pädiatrischen und adulten Hirntumoren nützen zu können.

Das Team des Neurochirurgischen Forschungslabors:

Leitung
Mag.rer.nat. Daniela Lötsch-Gojo, PhD
E-Mail: daniela.loetsch-gojo@meduniwien.ac.at

Stv. Leitung:
Assoc. Prof. Dr.med.univ. Georg Widhalm
E-Mail: georg.widhalm@meduniwien.ac.at

Mitarbeiterinnen:
Nicole Bachhofner, MSc
E-Mail: nicole.bachhofner@meduniwien.ac.at
Lisa Gabler, BSc MSc PhD
E-Mail: lisa.gabler@meduniwien.ac.at
Dr.scient.med. Alexandra Lang, MSc BSc
E-Mail: alexandra.lang@meduniwien.ac.at